Welche Besonderheiten heben den Hofkindergarten von den herkömmlichen Regelkindergärten hervor:

1. Die Kinder sind 3-4 Stunden täglich an der frischen Luft. Somit können sie ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben.

2. Es gibt nur geringfügige Lärmbelästigung; die Kinder können neben der notwendigen Betriebs- und Arbeitsatmosphäre wieder Stille erleben.

3. Der zeitlich geringfügige Aufenthalt in geschlossenen Räumen und das hauptsächliche Sich bewegen in der frischen Luft stärkt die Gesundheit der Kinder. Erfahrungen der letzten Jahre zeigten, dass diese Kinder weniger allergieanfällig sind.

4. Die Regeln und Gebote richten sich nach den Lebenszusammenhängen auf dem Hof und sind mit dem unmittelbaren Erleben verbunden. Sie sind vom Kind nachvollziehbar, da sie zum Schutz und Gedeih von Mensch, Tier und Pflanze gegeben werden.

5. Hofgemeinschaft und Natur werden in direktem Zusammenhang erlebt und begriffen; der behutsame Umgang mit jeder Art von Leben wird erfahren und gelernt.

6. Die Versorgung der Bauernhoftiere wird von den Kindern mit Hilfe ihrer ErzieherInnen übernommen, woran die Kinder Verantwortungsbewusstsein und Fürsorge lernen.

7. Die Pflege des Gartens und ihrer unmittelbaren natürlichen Umgebung verdeutlichen den Kindern das Zusammenspiel von Mensch und Natur und bereiten auf ein Verantwortungsgefühl im Erwachsenenleben vor.

8. Die Kreisläufe der Natur- der Rhythmus der Jahreszeiten, das Wachsen und Vergehen- werden direkt wahrgenommen und erlebt.

9. Durch die Möglichkeit der Betätigung mit den Naturmaterialien und deren Produkten von Tier (Wolle) und Garten (Kräuter, Blumen, Obst, Gemüse) können die Kinder das Wahrgenommene, das Gefühlte und das Gedachte in einen sinnvollen Zusammenhang bringen und Ursache und Wirkung 

voneinander unterscheiden lernen.

10. Das Spiel in freier Natur lässt die Kinder selbst ihre körperlichen Grenzen und Entwicklungsschritte erfahren.

11. Unmittelbares Erleben und die eigenen Erfahrungen mit allen Sinnen stärken das Selbstwertgefühl und geben emotionale Stabilität.

12. Die Gruppenstärke ist im Vergleich zu den herkömmlichen Kindergartengruppen kleiner (22 Kinder) und hat zwei ErzieherInnen und eine Teilzeitkraft.

13. In einer kleinen Gruppe mit pädagogischen Fachkräften können sich die ErzieherInnen sehr intensiv jedem einzelnen Kind widmen.

Unsere Lebenswelt, die sich in einem ungeheuer schnellen Tempo entwickelt, erleben wir weitgehend entsinnlicht, abstrakt und leistungsorientiert. Die Erziehung in einem Hofkindergarten kann gerade angesichts der heutigen Lebensverhältnisse wertvolle Erfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

 

Ganzheitliches Lernen

Die vertrauensvolle Hingabe, das Interesse für alles Neue und die Bewegungsfreude möchten wir bei dem kleinen Kind wecken. Wir möchten ihm so begegnen, dass diese Fähigkeiten eine Umgebung vorfinden, die dafür Verständnis hat. Einen Blick zu haben für das, was zur Entwicklung noch fehlt, es ergänzen, und dennoch die Eigeninitiative des Kindes nicht einschränken.

Wenn es auf die entsprechende menschliche Umgebung trifft, kann es diese Fähigkeiten auch entwickeln. Dazu braucht es vor allem „Raum für die körperliche Bewegung mit der es die Grundlage für ein bewegliches Denken schaffen kann.

Zeit zur Entwicklung, zum Üben des körperlichen Gleichgewichtes, das die Grundlage für ein seelisches Gleichgewicht bilden kann und auf dessen Basis Belastungen im späteren Leben ausgehalten und selbständig ausgeglichen werden können.

Ruhe für reiche Sinneserfahrungen, die eine starke Persönlichkeit formen können, die mit ICH-Stärke den Lebensaufgaben begegnet.

Studienheft 21 der Internationalen Vereinigung der WaldorfKindergärten e.V. unterstützt vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und dem Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales

„Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Lehrer und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes. Wir müssen die geistige Umgebung abgeben, damit das Kind sich so erzieht, wie es sich durch sein inneres Schicksal erziehen muss.

Rudolf Steiner

Unter Wahrnehmung” wird das Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen über die verschiedenen Sinne verstanden. Das sensorische System kann sich nur dann optimal entwickeln, wenn es geübt wird.

Sinne, die den Willen des Kindes aktivieren sind nach innen gerichtete Vorgänge, die sich im Leib abspielen. Funktion und Wirkung dieser Sinne wirken im gesunden Leib unbewusst:

1. Tastsinn (taktile Wahrnehmung)

2. Lebenssinn (Befindlichkeitssinn)

3. Bewegungssinn (Eigenbewegungssinn)

4. Gleichgewichtssinn (vestibuläre Wahrnehmung)

Sinne, die die Eindrücke der Natur aufnehmen und stark mit den Gefühlen verbunden sind:

1. Geruchssinn

2. Geschmackssinn

3. Sehsinn

4. Wärmesinn

zu 1) Das Organ für den Tastsinn ist die Haut. In der Natur erlebt das Kind z.B. die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten (weich, nachgiebig, fest, eben oder uneben). Naturmaterialien, auch Bekleidung, regen die Bewegung und deutliche Ganzkörpererfahrung an. Berührungen und Tastmöglichkeiten tragen dazu bei, dass sich das Kind in seiner eigenen Leiblichkeit erfahren kann.

zu 2) Das Organ für den Lebenssinn finden wir im vegetativen Nervensystem, in den physischen Organen Herz, Leber, Milz sowie im Verdauungsbereich. Wiederholungen und rhythmische Gewohnheiten im Tageslauf durch freie und geführte Zeiten im Kindergartenalltag können im Körperbereich ein Gefühl von „sich wohlfühlen“ hervorrufen. Rhythmus, Gewohnheiten, Zeit und Ruhe, Ernährung und liebevolle Berührung helfen dem Kind, sich in seinem Körper wohl zu fühlen.

zu 3) Das Organ für den Eigenbewegungssinn ist der ganze Muskelmensch. Anspannung und Entspannung der Muskeln machen die Bewegung erst möglich. Um den Bewegungssinn gut auszubilden braucht das Kind eine Umgebung, in der eindeutige Gesten vorgelebt, bewusst geführt und von Ruhe getragen werden. Das Kind ahmt den Erwachsenen nach sowie auch andere Bewegungsabläufe in seiner Umgebung.

zu 4) Das Organ für den Gleichgewichtssinn befindet sich im Innenohr. Über dieses Organ nehmen wir unsere Lage im Raum wahr, die wir bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung verändern. Das heißt auch, dass wir uns ständig aus dem Gleichgewicht bringen, um es immer wieder neu herzustellen.

Sehen, riechen, schmecken und hören sind uns als Sinneswahrnehmung vertrauter, deshalb werden sie an dieser Stelle nicht eingehender betrachtet.

Die Sinne sollen durch die Umgebung eine vielfältige und lebendige Anregung und Stimulierung erfahren. Gerade im Sinnesbereich werden ganz individuelle Besonderheiten deutlich, die Kinder reagieren sehr verschieden auf Berührung, Nahrung, Bewegungen. Für die ErzieherInnen entsteht daraus die Aufgabe, diese individuellen Unterschiede wahrzunehmen und bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Vielfältige Formen und Materialien in der Umgebung des Kindes wirken anregend auf die Tätigkeit der Basissinne (Hölzer, Rinden, Steine, Erde, Sand, verschiedene Webstoffe, Schafwolle). Bei allen natürlichen Erscheinungen, z.B. in der mineralischen, pflanzlichen und tierischen Welt ist dieser Zusammenhang wie von selbst gegeben. Die Kulturtat des Menschen birgt jedoch auch die Möglichkeit, diese Einheit aufzulösen. Zusammenhänge sind aber wichtig, weil das Kind über die Sinneseindrücke seine Sinnesorgane, aber auch gleichzeitig sein Urteilsvermögen entwickelt und schult.

 

 

Wie feiern wir Feste mit Kindern?

Der Jahresrhythmus ist ein wesentlicher Bestandteil der Waldorfpädagogik. Durch die Jahresfeste, die immer wiederkehrend zur gleichen Zeit und in gleicher Weise erlebt werden, ist dem Jahr ein ganz fester Rhythmus gegeben. Durch das Gestalten und Erleben dieser Feste wird das Kind in seiner Gesamtheit angesprochen und gefördert - an Körper, Seele und Geist: So kommt das Kind in eine gesunde Bewegung durch die Reigenspiele, begleitet vom Singen und Musik; die religiöse Stimmung hüllt es ein beim Märchenerzählen oder beim Feiern eines Geburtstages; das Festessen schmeckt besonders gut, und das Helfen und Tätigsein bei Vorbereitungen zum Fest machen die Hände und Finger geschickt. Das Kind erlebt durch ein Fest Freude, und diese Freude strahlt auch in den sozialen Bereich: Das Kind will helfen, schenken, Rücksicht nehmen. Die großen religiösen Feste sind Höhepunkte innerhalb des Jahres. Durch die Wiederholung werden die Eindrücke vertieft, die Kinder erlangen Sicherheit und Vertrauen zur Umgebung. Jedes Fest steht in Beziehung zu einer Jahreszeit und hat als Hintergrund große religiöse Bilder, die der Erwachsene kennen sollte. Diese Bilder sollte man dem Kind im ersten Jahrsiebt nicht über das Wort vermitteln, sondern über die Sinne, durch Gesten und Tätigkeiten. Die Gesten für Weihnachten sind Schenken und beschenkt werden - Annehmen, für Ostern - Verstecken und Suchen, aktives Suchen ist Finden; für Johanni - Aufstieg und Abstieg und für Michaeli - Ernten und Danken, Werden und Vergehen. Vor jedes Fest gehört die Vorbereitungszeit, die ungefähr drei bis vier Wochen dauert.

Für das Kind, das noch keine umfassende Orientierung in Raum und Zeit hat, ist dann die äußere Ordnung eine Hilfe. Dieses Ordnen ist gleichzeitig auch eine Pflege im Sozialen - "ins Reine bringen". Rudolf Steiner sagt: "Das Kind wird ein geordnetes soziales Wesen entwickeln, wenn seine Umgebung geordnet und rücksichtsvoll ist, es wird zu Ordnung und Rücksicht erzogen, wenn in seiner Umgebung Ordnung und Rücksicht walten." So ist die rechte Vorbereitung im Äußeren auch gleichzeitig eine Vorbereitung im seelischen Bereich und somit eine wichtige Zeit im Leben des Kindes. Durch das intensive Helfen und Vorbereiten werden die Kinder in rechter Weise auf das Fest eingestimmt. Jedes Fest hat auch seinen Höhepunkt, der, richtig gestaltet, ein tiefes, eindrucksvolles Erleben werden kann. Dabei darf bei Kindern der Festschmaus nicht fehlen, denn Kinder nehmen ein Fest wahr in seiner ganzen Fülle mit Körper, Seele und Geist. Die Erwartung und die Arbeit der Vorbereitung, die vorangegangen sind, wandeln sich nun in Freude und Dankbarkeit. Als drittes gehört zu jedem Fest der Ausklang. Allmählich lösen sich die Kinder von einer liebgewordenen Zeit oder einem Ereignis. Sie haben Kräfte geschöpft für ein Neues, dem sie sich nun zuwenden. Den Ausklang beschließt eine Ruhepause, die Ferien. Das Kind braucht solche Zeiten des Abstandnehmens. Man meint oft, dass in solchen Ruhepausen nichts geschieht, doch gerade dann geschieht Bedeutendes, und zwar auf der seelisch-geistigen Ebene, das Erlebte bildet sich um in Fähigkeiten, das Kind hat vieles in dieser Zeit selber gelernt, durch Vorbild, Nachahmung, Mittun, aus eigenem Willen. Das Kind hat gelernt, zurückzustehen, z.B. wenn ein anderes Kind Geburtstag hat. Es hat gelernt, dass man nicht nur beschenkt wird, sondern anderen etwas schenkt. Im Kindergarten wird ein Fest bewusst vorn Erwachsenen für das Kind vorbereitet. Das erzieht nicht zur Untätigkeit, sondern weckt das Gefühl, auch selber anderen eine Freude vorbereiten zu wollen.